Vorbemerkungen
1. Von echter Beteiligung kann keine Rede sein.
Wir bedauern sehr, dass die immer wieder betonte Beteiligung (sogar von angeblich 20.000 Menschen) an dem sogenannten Pastoralen Zukunftsweg in Wahrheit keine wirksame Beteiligung war und ist.
Ob pastorale Erkundungsreise auf die Philippinen, Internetumfrage,
Gottesdienstumfrage, Regionalforen, Fokusteams: In keinem dieser Formate und zu keinem Zeitpunkt sind im bisherigen Prozess Mindeststandards für eine echte Mitwirkung gewahrt. Statt transparenter und repräsentativer Vertretung der viel
beschworenen Getauften und Gefirmten aller betroffenen Gemeinden und Gemeinschaften gab es dort zufällige Zusammensetzungen, sich selbst einbringende Gruppen Interessierter bzw. durch den Bischof gelenkte Arbeitsgruppen.
Abstimmungen oder auch nur Meinungsbilder zu wichtigen im Ziel-Bild enthaltenen Weichenstellungen gab es nicht. Eingebrachte Ideen, Gesichtspunkte, Bedenken wurden nicht erkennbar weiterverfolgt, sondern verschwanden in allgemein zugesagter „Berücksichtigung“. Von der in vielen Gemeinden durchgeführten Gottesdienstumfrage etwa wurde nie wieder etwas gehört. Auch die Word-Cloud aus
der Online-Umfrage (Entwurf 9/2019), in der mehr Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit, Mut und Modernität in der Zukunft gewünscht werden, wird nicht mehr aufgegriffen.
Insgesamt herrscht daher weithin der Eindruck einer nur vorgeblichen, nicht aber wirksamen, also tatsächlich mitbestimmenden Beteiligung. Jetzt mit einem umfassenden, durchgestylten Großentwurf aus der Feder des Bischofs konfrontiert zu werden, bestätigt diesen Eindruck und erzeugt ein Gefühl der Ohnmacht.
2. „Zukunftsweg“ vernachlässigt unseren längst begonnenen Weg.
Manche Erklärungen des Pastoralen Zukunftsweges erwecken den Eindruck, dass erst jetzt endlich das Zeitalter beginnt, in dem das Evangelium zum Mittelpunkt der Pastoral wird, die geistliche Dimension der Pastoral entdeckt und Innovation im Blick auf die Menschen von heute Einzug in unsere Pastoral hält. Dies entspricht nicht unserer Wahrnehmung. Wir können vielmehr sagen, dass unser pastoraler Weg dies auch bisher schon und weiterhin beinhaltet. Die wertvollen Erfahrungen der letzten Jahre werden durch den „pastoralen
Zukunftsweg“ in keiner Weise gewürdigt, ausgewertet oder fortgeschrieben. Dabei können uns das Pastoralkonzept, das wir vor etwa zehn Jahren mit Freude am Evangelium formuliert haben, und die Erfahrungen, die wir dabei gesammelt haben, in vielfacher Weise weiter leiten. Wir erkennen nichts, das uns veranlassen müsste,
unser pastorales Konzept grundsätzlich hinter uns zu lassen. Die zugrundeliegenden Analysen und die darin begründeten pastoralen Ansätze bleiben gültig und
fortschreibbar und entsprechen im Übrigen den verschiedenen Beispielen pastoraler Ideen in der Präsentation und den Videos.
Pfarrgemeinderat Flingern/Düsseltal
3. Es fehlt ein (selbst)kritisches Hinterfragen der Probleme.
Es ist offensichtlich, dass ursächlich die Entwicklung der Finanzen, die Zunahme der Kirchenaustritte und vor allem fehlendes Priester-Personal dazu führt, dass sich etwas ändern muss. Diese dramatische Entwicklung wird kommentarlos hingenommen und die zukünftige Struktur daran ausgerichtet – dabei ist es genau diese Entwicklung, die
bei der Planung eines Zukunftsweges als erste hinterfragt werden müsste. Die immer noch unzulängliche Aufarbeitung des Machtmissbrauchs aus den eigenen Reihen, die Stellung der Frauen in der Kirche, die Behandlung Geschiedener und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften sind nur einige Beispiele, zu denen wir
eine „geistliche Erneuerung“ in unserem Bistum vermissen. Hier gelingt es nicht, den kirchlichen Standpunkt den Mitgliedern bzw. einer breiteren Öffentlichkeit verständlich zu kommunizieren, geschweige denn zu revidieren. Für eine an diesen Stellen aus der Perspektive der Menschen in unseren Gemeinden ungerecht, unbarmherzig und
unglaubwürdig wirkende Kirche können und wollen immer weniger Mitglieder und Ehrenamtliche aufbrechen. In der Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit sehen wir deshalb den vorrangigen Handlungsbedarf bei der Gestaltung eines „gemeinsamen Zukunftsweges“.
Das Ende des Films macht unmissverständlich klar, worum es beim Zukunftsweg in allererster Linie geht: um einen immer größer und immer weniger beherrschbar werdenden Priestermangel.
Leider wird nicht – und schon gar nicht plausibel – dargelegt, wie bei noch größeren Gemeinden die Seelsorge als eine zu stärkende Kernaufgabe (ein Priester auf 30.000- 50.000 Katholiken!) gelöst werden kann. Dieses Problem einer schlechteren Relation von Pfarrern zu Gemeindemitgliedern verschärft sich unseres Erachtens durch den
„Zukunftsweg“, da die vielen auf ehrenamtliche Laien verteilten Aufgaben ein zusätzliches „Management“ (um in der Unternehmensberatersprechweise des Zukunftswegs
zu bleiben) dieser Aufgabenbereiche durch die Pfarrer erforderlich macht. Hier liegt ein nicht aufgelöster – und womöglich auch nicht auflösbarer – Grundwiderspruch vor, denn die Verteilung der künftigen Aufgaben verlangt ein deutliches Plus an leitender
Koordination zulasten seelsorgerischer Funktionen.
Wenn Priestermangel als Hauptproblem identifiziert wird, dann scheint es nicht nur logisch, sondern zwingend erforderlich, dass darüber diskutiert werden muss, warum der geweihte männliche, zölibatär lebende Priester als einzig mögliches Format der Gemeindeleitung selbst nicht zur Debatte steht. Uns scheint eine Debatte über weitere
Formate (Frauenordination, Priesterheirat, Weihe bewährter Getaufter und Gefirmter…) unabdingbar, damit wir in zehn Jahren nicht darüber diskutieren müssen, wie wir aus 60 Pfarreien 30 machen können.
Stellungnahme zum Zielbild „Pfarrei der Zukunft“
Trotz dieser Vorbehalte wollen wir Ihre Aufforderung zur Mitwirkung zu diesem Zeitpunkt ernst nehmen und übermitteln Ihnen im Folgenden unsere konkreten Vorstellungen für die zukünftige Gestaltung der Pastoral.
1. Wir wollen eine möglichst große Vielfalt bei der Gestaltung der
Strukturen des Gemeindelebens.
Dabei geht es uns darum, nicht ohne Not flächendeckend Pfarreien aufzugeben und zu fusionieren. Wir erkennen keinen zwingenden Grund, die Substrukturen der „Sendungsräume“ einheitlich und von oben so zu gestalten, dass darin existierende lebensfähige und lebendige Kirchengemeinden ihre rechtliche Eigenständigkeit (mit
KVs und echter eigener Verantwortung für die materiellen Angelegenheiten, z.B. die Kirchengebäude als Identifikationsbauten) verlieren müssen. Vielmehr hat sich nach unserer Erfahrung die Möglichkeit der Bildung von Kirchengemeindeverbänden aus
selbständig bleibenden Kirchengemeinden als Alternative oder parallel zu fusionierten Kirchengemeinden bewährt. Bei uns z.B. hat es beides gegeben, entsprechend den örtlichen Gegebenheiten und pastoralen Weichenstellungen. Echte kirchengemeindliche oder -gemeindeverbandliche Gremien (übrigens auch mit
dem Pfarrer gegenüber klar geregelter Mitwirkung und nicht nur Teambildung unter seiner Leitung), aber auch die durch solche Vor-Ort-Gremien mögliche Einbindung einer größeren Zahl von Verantwortlichen mit jeweils überschaubarem Arbeitsaufwand (nicht Teambildung mit Vollverantwortlichkeit für eine Gemeinde) sind u.E. ein
Erfolgsrezept für die Gewinnung und Motivation von Ehrenamtlichen.
Was die angebliche Entlastung des Pfarrers durch nur noch einen Kirchenvorstand anstelle mehrerer angeht, so hört man von unserem Pfarrer wie von anderen Pfarrern im Bistum dagegen, dass eine Vielzahl von Gremien nicht nur eine überkomplexe Verantwortung eines einzigen Gremiums für eine (demnächst noch deutlich größere) Vielzahl an Kirchen und Einrichtungen verhindert, sondern auch den Pfarrer durch selbständiges Arbeiten vor Ort deutlich entlastet. („Best practice“ dazu: Es ist ohne Probleme möglich, dass alle Gremien immer am selben Termin im selben Haus tagen, so dass sowohl die punktuelle Anwesenheit des Pfarrers als auch das gemeinsame Besprechen übergeordneter Themen möglich sind – ohne Vergrößerung der Terminlast.)
Sicher ist es nicht unser Ziel, auf Biegen und Brechen Pfarreien als Körperschaften des öffentlichen Rechts am Leben zu erhalten. Umgekehrt aber dürfen Gemeinden, die aus pastoraler Sicht lebendig sind, auch nicht leichtfertig bewährter Strukturen beraubt werden, die vor Ort Mitverantwortung und Identifikation mit Erfolg fördern. Es gilt das Subsidiaritätsprinzip.
Und: Es ist uns wichtig, den Gemeinden vor Ort auf diese Weise handfest
Wertschätzung zu geben. Neben der möglichen Zukunft zählt eben auch die (ehrwürdige) Vergangenheit und die (sich bewährende) Gegenwart, nicht bloß eine angeordnete Zukunft der Pastoral, die über Gutes hinwegwalzt.
2. Wo bleibt dabei der Pfarrer als Mensch?
Bei allem Respekt und aller Achtung vor den Fähigkeiten von leitenden Pfarrern fragen wir uns, was einen Menschen generell dazu befähigt, eine Organisation von 100 und mehr Mitarbeitern – Haupt- und Ehrenamtlichen – zu führen. Sind das tatsächlich Menschen, die aus geistlicher Berufung Theologie studieren und Seelsorger werden
wollen?
Wir schlagen daher vor, eine Pfarrei durch einen hauptamtlichen, mit Fachleuten besetzten Vorstand zu leiten, dessen Vorstandssprecher und Letztverantwortlicher der Pfarrer ist. Aus den einzelnen Aufgabenfeldern wird an das für diese Aufgabe verantwortliche Vorstandsmitglied berichtet. Im Vorstand ist je ein Mitglied
verantwortlich z.B. für Liturgie und Musik/Gemeinschaft, für Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit, für Diakonisches Handeln und Jugend.
Dieses Modell ist etwas ganz anderes, als den leitenden Pfarrer „durch ein Team zu unterstützen“.
3. Wir brauchen Freiraum für eine Gottesdienstordnung mit
sonntäglichen Gottesdiensten in allen Gemeinden.
Die sonntägliche Eucharistie – im Ziel-Bild nahezu unsichtbar – muss die
identitätsstiftende Mitte des Gemeindelebens bleiben, das sich um eine Kirche herum gebildet hat und hält, insofern sie mehr ist als eine Teilgruppe der Gemeinde (Gebetskreis, Bibelkreis, Caritas-AG, Frauengemeinschaft, Seniorenclub, Chor, Jugendgruppe o.ä.), sondern eben betend-feiernd, missionarisch-verkündigend und
sozial-caritativ deren Gesamtgemeinschaft an einem bestimmten Wohn- und Beziehungsort (auch wenn Einzelvollzüge in Kooperation mit Nachbargemeinden geschehen).
Eine solche Gemeinde (nicht Teilgruppe) wird sich am Sonntag an ihrem Ort versammeln und nicht (jedenfalls nicht als Ganzes) zur Eucharistiefeier in eine andere Kirche kommen, auch nicht in einer Innenstadtgemeinde wie bei uns, wo sich inmitten
einer sehr mobilen Lebenskultur dennoch feste gemeinsame Orte als menschliches Grundbedürfnis und Identifikationsmittel erweisen.
Wo eine Gemeinde erkennbar ihre eucharistische Mitte verlieren würde, weil sie nicht an bestimmten Sonntagen zur Eucharistiefeier in eine andere (Pfarr)Kirche wandert, in der eine Sonntagsmesse stattfindet, halten wir es für wesentlich, dass an bestimmten Sonntagen, wo eine Messe hier nicht möglich ist, ein Wortgottesdienst gefeiert werden kann, zu dem aus der Sonntagsmesse einer Nachbarkirche auch die
Eucharistie hergebracht wird. So wird die eucharistische Grundlegung des
Gemeindelebens theologisch verantwortbar gesichert, wenn ein Priester nicht jeden Sonntag in jede Gemeinde kommen kann.
Anderswo in Deutschland und weltweit gibt es das auch. Bei uns scheinen die geringeren Entfernungen so eine Möglichkeit unnötig zu machen. Dennoch: Es handelt sich nicht um eine Frage der räumlichen Entfernung, sondern auch der Liebe zu konkreten, weiterhin lebensfähigen Gemeinden, die nicht als solche einfach sonntags umzutopfen sind und die sich ohne Sonntagstreffen de facto auflösen würden.
Wie gesagt, hier wünschen wir uns die Freiheit, vor Ort zu unterscheiden, ob dies geschehen soll oder auch einmal das Ende einer Ortsgemeinde als Vollgemeinde gekommen ist, die dann etwa den Status einer gemeindlichen Teilgruppe hätte und in der Folge sonntags gemeinschaftlich zu ihrer neuen Kirche geht.
4. Wir stellen die Idee der „Teams von Verantwortlichen“ in Frage.
Hier vermissen wir einen realistischen Blick auf die Situation und die Möglichkeiten von Ehrenamtlichen, wie sie sich in allen gesellschaftlichen Bereichen darstellen. Was den kirchlichen Bereich angeht, sehen wir unser eigentliches Charisma als Getaufte und Gefirmte nicht darin, eine Gemeinde umfassend zu organisieren, sondern als Christen in unseren Familien, in unserer Arbeit, in unserer Gesellschaft und in unseren alltäglichen Bezügen zu leben und auf diese Weise unseren Glauben
einzubringen. Dazu gehört für viele von uns natürlich auch, dass wir einen Teil unserer, meist sehr begrenzten, freien Zeit für eine gewisse Dauer in das Gemeinde-Leben im engeren Sinn einsetzen und uns caritativ, katechetisch, liturgisch, kreativ, konzeptionell oder sonst wie praktisch engagieren. In unserem Land zahlen wir dem Bischof jedoch Kirchensteuer, damit er Personen beauftragen und auch einstellen kann, die uns in der Gesamtverantwortung für unsere Pfarrei oder Gemeinde vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Dies
beanspruchen wir auch weiterhin als Priorität beim Einsatz der vorhandenen Mittel. Das Konzept eines von einem zentralen Pastoralteam aus der Ferne qualifizierten und begleiteten Teams von Verantwortlichen überzeugt uns nicht. Auch bei sinkenden Finanzmitteln und Seelsorger Zahlen wird es noch lange möglich sein, dass uns jeweils
vor Ort feste (seelsorgliche) Ansprechpartner zur Verfügung stehen, die in einer oder mehreren Gemeinden angesichts unserer zeitlich begrenzten, vielfach tagsüber (aus Berufsgründen) nicht möglichen und je nach Lebenssituation auch immer wieder wechselnden Mitwirkung als konstante Bezugspersonen zur Verfügung stehen.
Das Kriterium, dass eine Gemeinde sich ohne solche ortsbezogene feste Begleitung selbständig durch ein Team von Verantwortlichen trägt oder eben vergeht, erscheint uns nicht sachgerecht, ja lieblos. Es entspricht nicht der Realität heutiger Ehrenamtlichkeit und auch nicht unbedingt dem, was wir als unser Charisma ansehen.
Dabei steht uns auch vor Augen, dass Gemeinden bei uns, anders als in den meisten Teilen der Welt, mit vielfältigen gewachsenen Einrichtungen (z.B. Gebäuden und Personal) ausgestattet sind und in Deutschland (und Europa) eine Flut an immer professionelleren Standards zu erfüllen haben (von Datenschutz und Hygienevorschriften über Steuerregeln und Denkmalschutzbestimmungen bis zu Arbeitsschutz und Arbeitsrecht), die sich leider nicht auf einen engen Verwaltungsbereich begrenzen lassen, sondern alle möglichen pastoralen Vollzüge erfassen. Hier wird die Verantwortlichkeit überdehnt, die wir in Teams von Verantwortlichen ehrenamtlich tragen können und wollen.
Alle unsere Anmerkungen hätten wir, wie gesagt, im Sinne einer echten Beteiligung an dem sogenannten Pastoralen Zukunftsweg gerne wesentlich früher eingebracht, gerade weil das Bistum für die Pfarreien der Zukunft so ausdrücklich betont, wie wichtig unsere Mitwirkung sei.
Auch die vorgesehene Beendigung der kirchengemeindlichen Trägerschaft von Kindergärten oder der Integration der sogenannten kategorialen Seelsorge (z.B. Klinikseelsorge) in die Pfarreien der Zukunft überraschen uns und wären der Mitberatung wert (gewesen).
Das hier vorgestellte Modell einer Pfarrei der Zukunft können wir nicht gutheißen und halten eine grundsätzliche Überarbeitung des Konzeptes für dringend erforderlich.
Unsere Vorschläge dazu haben wir oben ausgeführt.